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Bildungsföderalismus

Das Danaergeschenk des Bundes an die Länder

In einem Namensbeitrag für die Frankfurter Allgemeine Zeitung fordert Kultusministerin Dr. Susanne Eisenmann einen neuen Staatsvertrag der Länder für Bildung. Der Bildungsföderalismus in Deutschland müsse sich neu erfinden. Mehr Transparenz, Qualität und Vergleichbarkeit der Bildungssysteme sind das Ziel.  

Wer die Erkenntnisse der empirischen Bildungsforschung in jüngster Zeit zur Kenntnis nimmt, wird feststellen: Bei Qualität, Vergleichbarkeit, Transparenz und Leistungsfähigkeit haben wir in Deutschland Nachholbedarf. Und es gibt eine allmählich nicht mehr tolerable Spannbreite dessen, was an adäquaten Bildungsstandards bei den Schülern feststellbar ist. Hinzu kommt, dass die zunehmende Mobilität Anschlussfähigkeiten der Bildungssysteme zwingend erfordert - auch hier besteht Handlungsbedarf. Zwischen Flensburg und Friedrichshafen gibt es zu wenig aufeinander abgestimmte, qualitativ nicht immer gleichermaßen angemessen leistungsfähige Schulsysteme. Insofern ist Kritik am Überkommenen keinesfalls unberechtigt; kritisch wird es erst bei Lösungsvorschlägen.

Wie gehen wir lösungsorientiert, pragmatisch, aber mit Sinn fürs Ganze mit diesen Bildungsbaustellen um? Muss der Bund, der sich im Verlaufe der Verfassungsgeschichte der Bundesrepublik nun wirklich nicht den Vorwurf mangelnder Kompetenzausweitung zu Lasten der Länder gefallen lassen muss, eingreifen? Muss die ferne Zentrale in Berlin die vorgeblich unfähigen Länder auf den Pfad der Tugend hin zu herrlichen Bildungszeiten führen - oder zwingen?

Länder stehen im Wettbewerb der guten Ideen miteinander

Bei aller berechtigten Kritik - das wäre weit gefehlt, es wäre verfassungspolitisch blind, historisch grotesk, verwaltungsmäßig ein Graus und in Bezug auf Qualität und Leistung ein Danaergeschenk des Bundes an den Föderalismus. In Zeiten, die auch und gerade im europäischen Vergleich eine Zunahme regionalen Bewusstseins erkennen lassen und die zentralistischen Bestrebungen offenkundig als gestrig dastehen lassen, wäre eine Bundeseinheitsschulpolitik nachgerade absurd.

Der unstrittige Handlungsbedarf ist eine Aufgabe für die Länder der Bundesrepublik Deutschland. Sie sind - zu Recht und aus guten, auch demokratietheoretischen Gründen - in erster Linie verantwortlich für die Bildung. Länder wie Bayern oder auch Schleswig-Holstein beweisen, dass gute Leistung konstant gewährleistet werden kann oder dass erkannte Defizite mit beträchtlichem Erfolg abgestellt werden können. Der Föderalismus beweist so seine Handlungsfähigkeit, indem Länder voneinander lernen und ein Wettbewerb der guten Ideen zum Wohle aller stattfindet.

Eisenmann: Neuer Staatsvertrag für Bildung

Diese Aufgabe gilt es jetzt anzugehen. Wir brauchen einen Länderstaatsvertrag für gute Bildung. Die Kultusministerkonferenz (KMK) hat sich bereits eindeutig dazu verpflichtet, einen solchen Weg zu beschreiten. Dass dieser Weg Zeit benötigt, sollte keine Kritik hervorrufen. Es ist Lehrbuchwissen, dass in demokratischen Systemen Abstimmungsprozesse ihre Zeit dauern - aber auch zu großer, dauerhafter und vor allem friedlicher Akzeptanz der Ergebnisse führen. Durchregieren ist - blicken wir aktuell nach Frankreich - nicht zwingend die bessere Art der Regierungsführung.

Daher ist es konsequent, dass sich die Länder jetzt an die Arbeit machen. Und die Gespräche über eine Ländervereinbarung laufen bereits. Wir haben uns im Rahmen der KMK bereits auf einige Schwerpunkte verständigt, die wir in den kommenden Wochen und Monaten mit einer klaren Absicht zu Vertragspapier bringen wollen: nämlich verbindlich, transparent und mit Blick auf die Qualität die Bildung in Deutschland zu verbessern.

Mehr Transparenz, Qualität und Vergleichbarkeit der Schulsysteme

Mit dem Staatsvertrag verfolgen die Länder das gemeinsame Ziel, Transparenz, Qualität, Vergleichbarkeit der Schulsysteme und daraus erwachsende Mobilität sowie gerechte Chancen in der Bildung zu verbessern. Baden-Württemberg ist eine treibende Kraft bei diesem Vorhaben und koordiniert den Prozess für die Seite der unionsgeführten Länder. Da einem Staatsvertrag auch alle 16 Landesparlamente zustimmen müssen und dieser abschließend von allen Regierungschefs der Länder ratifiziert werden muss, hat dieses Instrument eine sehr hohe Verbindlichkeit und eine überaus große demokratische Legitimation. Das bedeutet auch eine - immer wieder zu Recht von Wissenschaft und Praxis angemahnte - Stärkung der Parlamente, da es die Abgeordneten sind, die letztlich über den Staatsvertrag entscheiden.

Die Länder haben in den vergangenen Monaten gemeinsam intensiv über die Inhalte beraten, die in einem Staatsvertrag berücksichtigt werden sollen. Die Standards für Schulabschlüsse, und zwar sowohl der Hochschulreife als auch des mittleren und des Hauptschulabschlusses, stehen dabei ganz oben auf der Agenda. Wir können auf Bestehendes zurückgreifen (wie den Abitur-Aufgabenpool), müssen aber deutliche Schritte nach vorn machen. Die bisherige, durchaus zähe und zu bedenkenlastige Entscheidungsfindung muss größerer Dynamik und politischem Einigungswillen weichen. Auch bei der Lehrerbildung brauchen wir verbindlichere Standards und eine gleichermaßen hohe, praxisnahe und zugleich wissenschaftlich fundierte Qualität.

Bislang ist es so, dass der Einsatz dieser Instrumente ein Stück weit ins Belieben der Länder gestellt ist. Nicht alle sind überall an Bord, die Vergleichbarkeit der Bildungswege und der Abschlüsse leidet darunter. Deshalb werden wir mit dem Staatsvertrag für eine höhere Durchlässigkeit von Bildungsgängen zwischen den Ländern, für mehr Verbindlichkeit und damit auch für mehr Verlässlichkeit im Bildungsföderalismus sorgen. Ein persönliches Anliegen ist mir die Stärkung der beruflichen Bildung, welche die KMK bereits im Zuge der baden-württembergischen KMK-Präsidentschaft gemeinsam vorangebracht hat und die auf Grund eines einseitigen Trends zur Akademisierung mehr Anerkennung braucht.

Staatsvertrag der Länder bis zum Herbst 2020

Wir haben uns gemeinsam ein Ziel gesetzt, an dem wir arbeiten. Die Länder sind dabei, gemeinsam einen Entwurf für einen Länderstaatsvertrag vorzubereiten. Wir wollen bis Herbst 2020 einen Staatsvertrag vorlegen, um diesen in die Landesparlamente einbringen zu können.

Der Föderalismus ist Ausdruck des kulturellen und nicht zuletzt des wirtschaftlichen Reichtums eines Landes, das in seinen glücklicheren Zeiten gerade keiner strikt durchgreifenden Zentrale unterworfen war (und ist). Heute indes muss der Föderalismus, der Ausdruck deutscher Vielfalt, deutscher Flexibilität und deutscher Kreativität, sich neu erfinden. Er muss seine Gestaltungskraft wieder entdecken. Die Bildungspolitik bietet dafür sowohl dringlichen wie auch geeigneten Anlass. Der Föderalismus in Deutschland funktioniert, er funktioniert zudem öfter, als man glauben sollte, auf Basis bestehender Regelungen (ich mache nur noch einmal auf den Artikel 91c in Bezug auf den Digitalpakt Schule aufmerksam). Und schließlich ist und bleibt der Föderalismus Garant von Freiheit in Vielfalt. Kein geringerer als der große Demokrat Robert Blum, der unermüdlich für die deutsche Einheit (ein revolutionäres Ziel im Jahre 1848) kämpfte und dafür sein Leben gab, setzte sich dafür ein, den Ländern Deutschlands "ihre Freiheit, den Spielraum zu ihrer eigentümlichen Entwickelung zu gönnen und zu belassen". Das sollte zu denken geben.

Der Namensbeitrag von Kultusministerin Dr. Susanne Eisenmann erschien am 13. Dezember 2018 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.  

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