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SchulNews online 68

Neukonzeption der gymnasialen Oberstufe 

Jedes Jahr erlangen tausende Schülerinnen und Schüler ihre allgemeine Hochschulzugangsberechtigung bzw. das Abitur an den baden-württembergischen Gymnasien. Folglich stellt die anstehende Reform der gymnasialen Oberstufe für die Schülerinnen und Schüler dieses Landes eine der bedeutendsten und zentralsten Veränderungen der kommenden Jahre dar.

Als offizielle Vertretung aller 1,5 Millionen Schülerinnen und Schüler in Baden-Württemberg möchten wir aus diesem Grund nochmals zwei Aspekte herausheben, welche für die Schülerinnen und Schüler – also für die unmittelbare Zielgruppe und Betroffenen der Reform – hierbei von signifikanter Bedeutung sind: nämlich unterschiedliche Niveaustufen in den Kernfächern sowie die Stärkung der gesellschaftswissenschaftlichen Fächer.

Außerordentlich freut den Landesschülerbeirat, dass bzgl. der Einführung unterschiedlicher Niveaustufen in den Kernfächern Mathematik, Deutsch und den Fremdsprachen unter allen bildungspolitischen Beteiligten eine große Einigkeit besteht. Dadurch, dass die Schülerinnen und Schüler fortan nicht mehr alle Kernfächer auf erhöhtem Niveau besuchen müssen, sondern stattdessen eine gewisse Wahlmöglichkeit in Bezug auf die besuchte Niveaustufe (grundlegend oder erhöht) erhalten sollen, ermöglicht die gymnasiale Oberstufe eine individuelle Schwerpunktsetzung und zugleich eine grundlegende Allgemeinbildung der Schülerinnen und Schüler.

Dagegen ist der Landesschülerbeirat insbesondere um die Stellung der gesellschaftswissenschaftlichen Fächer besorgt und sieht hier insbesondere dringenden Veränderungsbedarf zur momentanen gymnasialen Oberstufe. So ist es bislang nicht, wie bei den Naturwissenschaften und Fremdsprachen, möglich, zwei gesellschaftswissenschaftliche Fächer auf erhöhtem Niveau bzw. vierstündig zu belegen.

Ebenfalls stehen die Gesellschaftswissenschaften weiterhin deutlich hinter den Naturwissenschaften im Stundenumfang auf grundlegendem Niveau zurück. Während beispielsweise Gemeinschaftskunde und Erdkunde jeweils nur einstündig in der gymnasialen Oberstufe unterrichtet werden, müssen die Schülerinnen und Schüler verpflichtend mindestens zwei Naturwissenschaften jeweils zweistündig belegen.

Dies führt auch unweigerlich dazu, dass Schülerinnen und Schüler, welche Gemeinschaftskunde oder Erdkunde vierstündig gewählt haben, jeweils drei Schulstunden mehr Unterricht in diesen Fächern erfahren als diejenigen Schülerinnen und Schüler, welche dies nur auf grundlegendem Niveau besuchen. Wählt eine Schülerin bzw. ein Schüler dagegen eine Naturwissenschaft auf erhöhtem Niveau, liegt die Differenz zum grundlegenden Kurs dagegen nur bei zwei Wochenstunden. Folglich belegen Schülerinnen und Schüler, welche Gemeinschaftskunde oder Erdkunde auf erhöhtem Niveau wählen, im Grunde eine Wochenstunde mehr als Schülerinnen bzw. Schüler mit einer Naturwissenschaft auf erhöhtem Niveau.

Die Schülerinnen und Schüler besitzen somit nicht die Möglichkeit, einen eigenen individuellen Schwerpunkt auf den Gesellschaftswissenschaften zu setzen und werden bei deren Wahl als Neigungsfach sogar zum Teil benachteiligt.

Dabei kommt den gesellschaftswissenschaftlichen Fächern gerade heutzutage aufgrund ihrer unmittelbaren Beziehung zur Demokratiebildung der Schülerinnen und Schüler immer mehr Bedeutung zu. Wie in Artikel 21 Absatz 1 der Landesverfassung von Baden-Württemberg festgeschrieben ist, soll jede Schülerin und jeder Schüler in der Schule die nötigen Fähigkeiten erlernen, um sich später als mündige Bürgerin bzw. mündiger Bürger am politischen Geschehen aktiv beteiligen zu können. So sollen die Schülerinnen bzw. Schüler insbesondere in der Schule mit der Demokratie und ihren Werten in Berührung kommen.

Welch hohen Stellenwert die Demokratiebildung an den baden-württembergischen Schulen besitzt, wird gerade auch von Seiten der Landesregierung und der Landtagsfraktionen immer wieder hervorgehoben.

Aus diesen Gründen fordert der Landesschülerbeirat Baden-Württemberg, dass es in der gymnasialen Oberstufe für die Schülerinnen bzw. Schüler möglich sein muss, nicht nur zwei Naturwissenschaften oder Sprachen auf erhöhtem Niveau zu wählen, sondern auch zwei Gesellschaftswissenschaften. Dadurch würden alle Fächergruppen gleichgestellt und es könnte endlich jede Schülerin und jeder Schüler individuelle Schwerpunkte in allen Bereichen setzten.

Dem dadurch befürchteten Qualitätsverlust tritt der Landesschülerbeirat entschieden entgegen. So stellen auch die Gesellschaftswissenschaften hohe Anforderungen an die Schülerinnen und Schüler. Zudem wird eine hohe Qualität des Abiturs auch unabhängig von den gewählten Intensivkursen sichergestellt, wenn weiterhin Deutsch, Mathematik und eine Fremdsprache oder eine Naturwissenschaft als schriftliche Prüfungsfächer für alle Schülerinnen und Schüler verpflichtend sind.

Dass eine Ausweitung der Wahlmöglichkeiten ebenfalls nicht zwingend zu einer Verlängerung des Prüfungszeitraums führen muss, belegt das neue Konzept des Philologenverbands. Indem Schülerinnen und Schüler, die zwei Intensivkurse derselben Fächergruppe gewählt haben, in einem von diesen schriftlich und in dem anderen mündlich geprüft werden, könnten alle Prüfungen innerhalb von sieben Tagen stattfinden.

Darüber hinaus muss zumindest Gemeinschafskunde als Fach mit Verfassungsrang gestärkt werden und auf grundlegendem Niveau zweistündig unterrichtet werden. Gerade diesem Fach kommt bei der Demokratiebildung der Schülerinnen und Schüler eine entscheidende Rolle zu. So lernen die Schülerinnen und Schüler gerade hier die Grundlagen und den Aufbau der deutschen Demokratie kennen. Sie erfahren beispielsweise, wie der Deutsche Bundestag gewählt wird, ein Gesetz zustande kommt und auch, wie sie sich als Schülerin bzw. Schüler und mündige Bürgerinnen und Bürger einbringen und etwas verändern können.

Durch eine zusätzliche Wochenstunde in diesem Fach wäre gerade eine intensivere Auseinandersetzung mit den Pflichtinhalten sowie aktuelle Themen im Unterricht möglich. So bleibt momentan oftmals insbesondere für die Behandlung des aktuellen Tagesgeschehens im Unterricht kein Raum.

Ebenfalls könnten durch eine Erhöhung der Stunden Anreize geschaffen werden, das Fach als fünfstündigen Intensivkurs zu wählen, da die Differenz zwischen dem erhöhten und grundlegenden Niveau nur noch drei anstatt vier Wochenstunden betrüge. Eine Erhöhung der Stundenanzahl ließe sich dabei vor allem auch mit einem System von drei Intensivkursen vereinbaren.

Abschließend bittet der Landesschülerbeirat im Namen aller Schülerinnen und Schüler dieses Landes inständig um die Berücksichtigung der Aspekte und Forderungen. Eine Oberstufenreform, in welcher diese beiden Aspekte keinerlei Beachtung finden, ist ausdrücklich nicht im Sinne der Schülerinnen und Schüler dieses Landes!

 



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